Die mögliche Rolle der Coulomb-Kraft bei der Entstehung von Allergien gegen organische Stäube

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Dieser Artikel zeigt einen möglichen Zusammenhang zwischen der Benutzung von Farbfernsehgeräten mit Kathodenstrahlröhren und der Entstehung von Allergien gegen organische Stäube (z. B. Hausstaub, Pollen) auf. Diese Hypothese beruht hauptsächlich auf der Wirkung der Coulomb-Kraft auf Staubteilchen im elektrostatischen Feld.

Die Bildschirmoberfläche der Kathodenstrahlröhre von Farbfernsehgeräten weist kurz nach dem Einschalten eine positive Oberflächenladung auf. Im Folgenden soll die Wirkung dieser positiven Oberflächenladung und des elektrostatischen Feldes auf ein einzelnes organisches Staubteilchen betrachtet werden.

Das Staubteilchen sei zunächst elektrisch neutral und befinde sich im Raum vor dem Bildschirm der Kathodenstrahlröhre des Farbfernsehgerätes. Nach dem Einschalten des Fernsehgerätes bildet sich eine positive Oberflächenladung (Elektronenmangel) auf der Bildschirmoberfläche und ein inhomogenes elektrostatisches Feld im Raum vor dem Bildschirm. Die Ursache dieses Phänomens ist die hohe Beschleunigungsspannung von etwa 23 bis 30 kV, die für den Betrieb der Kathodenstrahlröhre eines Farbfernsehgerätes benötigt wird. In diesem inhomogenen elektrostatischen Feld wird das organische Staubteilchen polarisiert und danach allmählich zur Bildschirmoberfläche hingezogen. Wenn das Staubteilchen die Bildschirmoberfläche berührt, kann es Elektronen an die Bildschirmoberfläche abgeben und trägt dann selbst eine positive Ladung. Nun ist das Staubteilchen positiv geladen und deshalb wird es von der positiv geladenen Bildschirmoberfläche abgestoßen. Die Kraft, die diese Abstoßung bewirkt, heißt Coulomb-Kraft. Die Coulomb-Kraft beschleunigt das positiv geladene Staubteilchen, so daß es sich unter bestimmten Umständen relativ schnell von der Bildschirmoberfläche entfernt. Das positiv geladene Staubteilchen bewegt sich anschließend mit Driftgeschwindigkeit auf die Fernsehzuschauer zu. Gerät das Staubteilchen dabei in die Nähe einer elektrisch leitenden Oberfläche, z. B. der Augenbindehaut oder der Nasenschleimhaut, so wird es von dieser Oberfläche angezogen (Influenz, Spiegelladungseffekt an leitenden Oberflächen). An den Oberflächen der Nasenschleimhaut und der Augenbindehaut (Tränenfilm wirkt als Elektrolyt) liegt Ionenleitung vor. Die Coulomb-Kraft bewirkt also in diesem Fall eine Beschleunigung des elektrisch geladenen Staubteilchens zur Schleimhautoberfläche hin. Das bedeutet aber, daß die elektrische Ladung die Wahrscheinlichkeit für die Anlagerung des Staubteilchens an der Schleimhautoberfläche erhöht. Dabei ist es im Grunde gleichgültig, ob das Staubteilchen negative oder positive elektrische Ladung trägt. Entscheidend ist allein, daß die Coulomb-Kraft, die auf ein solches elektrisch geladenes Staubteilchen wirkt, dieses Staubteilchen zur Schleimhautoberfläche hin beschleunigt. Die Anziehungskraft, die zwischen einem elektrisch geladenen Staubteilchen und einer Schleimhautoberfläche wirkt, kann mit Hilfe des Coulomb-Gesetzes (Spiegelladungsmethode) abgeschätzt werden.

Dieser Effekt könnte die Entstehung von Allergien gegen organische Stäube (z. B. allergisches Asthma, allergische Konjunktivitis, Hausstaub-Allergie, Heuschnupfen) fördern und zwar durch die Erhöhung der statistischen Wahrscheinlichkeit eines intensiven Kontaktes zwischen Staubteilchen und Schleimhautoberfläche. Falls diese Hypothese korrekt ist, sollte sich eine signifikante Zunahme von Allergien gegen organische Stäube parallel zur Einführung von Farbfernsehgeräten mit Kathodenstrahlröhren nachweisen lassen. Ferner wäre in Zukunft mit einer Abnahme der Häufigkeit von Allergien zu rechnen, da der Marktanteil von Farbfernsehgeräten mit Kathodenstrahlröhren in den nächsten Jahren deutlich abnehmen wird.

Unter Berücksichtigung der hier beschriebenen Effekte sollten in Zukunft folgende Fragen geklärt werden:

  1. Wie hoch ist die Konzentration elektrisch geladener Staubteilchen im Bereich vor dem Bildschirm der Kathodenstrahlröhre eines Farbfernsehgerätes?

  2. Mit welcher Geschwindigkeit treffen die elektrisch geladenen Staubteilchen auf der Oberfläche der Augenbindehaut oder der Nasenschleimhaut auf?

  3. Wie tief dringt ein elektrisch geladenes Staubteilchen im Vergleich zu einem elektrisch neutralen Staubteilchen in das Epithel der Augenbindehaut oder der Nasenschleimhaut ein?

  4. Welche weiteren Faktoren (z. B. Luftfeuchtigkeit, Rußpartikel) haben einen Einfluß auf die beschriebenen Vorgänge?

In den letzten Jahren sind zahlreiche Theorien aufgestellt worden, die mögliche Erklärungen für die Zunahme von Allergien gegen inhalierbare Stäube in Industriestaaten bieten. Die hier vorgestellte Hypothese bietet eine mögliche Erklärung, die auf einem bekannten physikalischen Effekt (Influenz) beruht. Dabei wird ein möglicher Zusammenhang zwischen der Verbreitung von Farbfernsehgeräten und der Zunahme von Allergien gegen inhalierbare organische Stäube aufgezeigt. Die hier beschriebenen Effekte treten vorwiegend bei Farbfernsehgeräten und bei älteren Computerbildschirmen mit Kathodenstrahlröhren auf. Bei modernen Computerbildschirmen ist das elektrostatische Feld meist ausreichend abgeschirmt (TCO-Normen). Bei Schwarzweißfernsehgeräten ist die Oberflächenladung schwächer ausgeprägt, da hier die Beschleunigungsspannung in der Regel nur bei etwa 12 bis 18 kV liegt.

Die hier vorgestellte Hypothese bietet eine überraschende Erklärung für die nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten zu beobachtende Zunahme von Allergien im Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Nach der Wiedervereinigung stieg dort die Zahl der Farbfernsehgeräte sprunghaft an und dieser Umstand könnte zu einer Zunahme von Allergien in diesem Gebiet beigetragen haben.

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